#9: Die Italiener und das Glück, kulinarische Skandale und der Held des Sommers

Shownotes

Die Themen: Warum liegt Italien in den Glücksstatistiken so weit hinten? Wir erklären, wie es zu dieser Diskrepanz kommt.

Außerdem berichten wir über Leichtsinn in den Bergen und über eines der größten italienischen Bauprojekte aller Zeiten – wenn es denn realisiert wird.

Wir erklären, dass das Boreto nie mit Zwiebeln zubereitet werden darf und dass Cacio e Pepe nicht mit Butter und Parmesan gemacht wird – was für gastritische Verstimmungen zwischen Rom und London führte, sogar die Botschaft wurde eingeschaltet.

Das italienische Wort: »bandito« – gebannt. Wer darf keine Ferraris mehr kaufen?

Aktuell: Mein Leben am Strand

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Fragen, Wünsche, Anregungen? Wen wollt ihr mal als Gast hören, welche Themen soll ich mir vornehmen, was würdet ihr wirklich gern wissen? Schreibt mir: radioadria@gmx.de

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Der Podcast ist eine Produktion von www.studiovenezia.de

Transkript anzeigen

00:00:00: Buongiorno und herzlich willkommen bei Radio Adria, dem Podcast aus Italien.

00:00:10: Hier dreht sich alles um la Deutsche Vita, um das Lebensgefühl zwischen Espresso und

00:00:16: Apparativo, um die kleinen Geheimnisse und großen Geschichten dieses wunderbaren Landes.

00:00:21: Ich bin Stefan Maywald, Autor und Wahlitaliener aus Grado und ich nehme euch mit auf eine

00:00:27: Reise voller Sonne, Genuss und Italianita. Also zurücklehnen, entspannen und ein bisschen

00:00:35: Italien ins Leben lassen. Andiamo!

00:00:37: Hallo, Folge 9. Bald sind wir zweistellig. Das läuft einfach richtig rund, ganz herzlichen.

00:00:51: Dank euch allen. Heute begeben wir uns auf Glücksforschung und schlagen auch eine kleine Brücke zur

00:00:59: letzten Folge mit dem italienischen Aberglauben, die euch sehr gut gefallen hat. Außerdem besuchen

00:01:06: wir das Fußballstadion in Grado, reden über die Image-Strategie von Ferrari und den stillen

00:01:13: Helden des Sommers. Und wir müssen zwei schwere, schwere Küchenskandale durchleuchten. Aber

00:01:20: vorher abonniert diesen Podcast. Dann bekommt ihr immer eine Benachrichtigung, wenn eine neue Folge

00:01:26: draußen ist. Podcastprofis behaupten, man solle das immer zu Beginn der Folge betonen, was hier

00:01:33: mit geschehen ist. Also, ich sage es ja schon in den Titeln meiner Bücher ziemlich unverglünt.

00:01:40: Das Italien-Prinzip "So geht Glück", meine Bar in Italien, warum uns der Süden glücklich macht,

00:01:47: mein Leben am Strand, warum zwischen Sonne und Meer die Leichtigkeit liegt. Hier in Italien fasse

00:01:55: ich mal Tollkühn den Inhalt all meiner Bücher in kürzest möglicher Form zusammen. Ich lasse

00:02:00: es sich gut leben. Nicht wenige von euch, die mir tendenziell zustimmen, sonst hättet ihr ja die

00:02:07: Bücher nicht gekauft, machen mich auf eine, nennen wir es mal merkwürdige Diskrepanz aufmerksam,

00:02:14: denn in regelmäßig veröffentlichten Statistiken, in welchen Ländern man am besten lebt und in

00:02:21: welchen Ländern die Menschen am glücklichsten sind, liegt Italien meistens ziemlich weit hinten.

00:02:27: Bizarreweise liegen die skandinavischen Länder in solchen Statistiken weit vorn, trotz Haarsträubendem

00:02:34: Wetter, grotesker Küche, teurem Alkohol und übrigens auch höheren Kriminalitäts- und Suizidraten.

00:02:41: Jedenfalls. Diese Diskrepanz aus Statistiken und Wirklichkeit ist ganz leicht zu erklären,

00:02:48: aber vorher gibt es die wichtigsten Schlagzeilen. Ich habe euch drei Meldungen mitgebracht.

00:02:59: Die haben vielleicht nicht unbedingt mit der Adria zu tun, aber erzählen doch viel über Italien

00:03:05: und passen deswegen sehr gut. Meldung 1. Auf Italien's Skipisten gilt ab sofort Helmpflicht für alle.

00:03:14: Bisher galt sie nur für Kinder. Jetzt müssen auch wir. Das sagt jedenfalls das Decreto Legginovantas Sei.

00:03:22: Man will wohl vor den olympischen Spielen in Cortina D'Ampezzo und Mailand ein Zeichen setzen.

00:03:28: Bemerkenswert dabei. Italiener waren ja auch schon beim Rauchverbot in Kneippen und Restaurants

00:03:34: in Europa die Ersten. Übrigens unter Silvio Berzelosconi, im Jahr 2001. Und wer geglaubt hat,

00:03:41: dass sich das doch nie durchsetzen kann, der musste ganz schnell erkennen. Die Italiener

00:03:46: haben sich von Tag 1 beinahe ausnahmslos dran gehalten. Man ging konsequent zum Rauchen vor

00:03:52: die Tür. Es war wirklich erstaunlich und vielleicht hat es den kommunikativen Italienern auch gefallen,

00:03:57: dass sie so mit neuen Leuten ins Gespräch kamen. Jedenfalls. Bei der Helmpflicht drohen harte

00:04:03: Bußgelder. Wer dann noch Alkohol getrunken hat, den könnte es richtig erwischen. Bei mehr als

00:04:09: 0,5 Promille sind 1000 Euro fällig. Bei mehr als 0,8 Promille gilt es als Straftat. Man verbringt

00:04:16: eine Nacht mindestens hinter Gittern. Shia und Shipas werden eingezogen und du bekommst eine

00:04:22: Klage an den Hals. Achtung, die Helmpflicht gilt auch für Rotler. Die zweite Nachricht und wir

00:04:29: bleiben in den Bergen. Allerdings im Sommer. Ein britischer Tourist ignorierte in den Dolomieten

00:04:35: gerade alle Warnschilder auch auf Englisch und begab sich auf den Ferrara Berti-Steig,

00:04:41: der aber wegen Steinschlag gesperrt war. Es kam, wie es kommen musste, der Fine Sir rief,

00:04:47: durch herabfallende Steine in Panik versetzt, per Handy um Hilfe. Wegen schlechten Wetters

00:04:53: mussten gleich zwei Hubschrauber ausrücken. Die Rechnung für den Einsatz muss der Britte

00:04:58: tragen. 14.255 Euro. Fanfekt? Daran ist auch der Brexit schuld. Menschen aus den Mitgliedsländern

00:05:08: der Europäischen Union wären auch bei solchen Leichtsinnstaten versichert. Und mit der dritten

00:05:15: Meldung sind wir endlich am Meer. Denn Il Ponte soll gebaut werden, kaum zu glauben. Ein Projekt,

00:05:23: das schon seit 50 Jahren diskutiert wird. Die Brücke, die Sizilien mit dem Festland verbinden soll.

00:05:30: Sie wird fast 4 km lang werden und soll von zwei 400 Meter hohen Brückenpfeil angehalten werden.

00:05:37: Bauträger ist ein italienisch-japanisches Konsortium. Und drum herum ist die Aufregung

00:05:44: natürlich groß. 7,5 Milliarden Euro soll das Projekt kosten. Und mal sehen, ob es in Kalabrien

00:05:51: und Sizilien ähnlich rundgehen wird wie damals in Venedig beim Hochwasserschutz Mose. Der übrigens

00:05:58: etwa genauso teuer war. Ich zitiere, am 4. Juni 2014 wurden der Bürgermeister von Venedig

00:06:05: Giorgio Orsoni und weitere 34 Politiker und Bauunternehmer wegen Geldwäsche, Veruntreuung

00:06:12: und Erpressung im Amt im Zusammenhang mit Mose verhaftet. In den Korruptionsskandal war fast

00:06:18: die gesamte politische Führung der Stadt Venedig und der Region Venedig verwickelt. Haft beantragt

00:06:25: wurde auch für den ehemaligen Regionspräsidenten von Venedig, Gian Carlo Galan, der aber als

00:06:31: Senator Immunitätgenoss. Nachdem das Parlament die Immunität im Oktober 2014 aufgehoben hatte,

00:06:38: wurde auch er hinhaftiert. Insgesamt seien etwa 1 Milliarde Euro veruntreut worden. Durch die

00:06:46: Aufarbeitung der Fälle standen die Arbeiten auf der Baustelle fünf Jahre lang still. Zitat Ende.

00:06:52: Da sind wir doch mal sehr gespannt, was in Süditalien in den nächsten Jahren so passieren wird. Und

00:06:59: es wäre natürlich eine großartige Ponte, wenn dort unten alles glatt laufen würde. Unter uns

00:07:04: so recht glaube ich das aber nicht. Und jetzt zurück zum Glück. Wenn die Umfragen, in denen Italien

00:07:13: immer so schlecht abschneidet, direkt mit Personen durchgeführt werden, dann müsst ihr folgendes

00:07:18: bedenken. Es wäre in Italien fatal zu behaupten, es gehe einem gut oder alles sei in bester Ordnung.

00:07:25: Das gilt in dieser katholisch geprägten Gesellschaft sogar als Sünde. Das Glück nach

00:07:31: außen zu tragen ist völlig unitalienisch und bringt Unglück. Womit wir eine schöne Brücke

00:07:36: zur letzten Folge haben, in der ich ja über den Aberglauben berichtet habe. Das ist eine richtige

00:07:41: Brückenfolge heute. Es ist auch verpönt vor einem wichtigen Vorhaben, viel Glück zu wünschen. Das

00:07:47: ist der sichere Todescus. Stattdessen heißt es im italienischen "in bocca lupo". Etwa "möge dich

00:07:54: ein Wolf zerfleischen". Und die Antwort darauf "gräpi lupo". "Möge der Wolf verrecken". Ja,

00:08:01: sehr merkwürdig. Aber so ist es nun mal. Wenn meine Frau von einem Umfrage-Institut angerufen und

00:08:07: gefragt würde, wie sie ihr momentanes Glückslevel auf einer Skala von 1 bis 10 einschätzt, dann

00:08:12: blickt sie von dem Balkon der fast abbezahlten Wohnung auf den nahen Strand. Sie blickt auf ihre

00:08:17: wohl geratenen Töchter, die sich für den Sommertag bereit machen. Gerade haben sie ihr noch den

00:08:21: Kaffee ans Bett gebracht. Vielleicht blickt sie auch in der Küche in den vollen Kühlschrank und freut

00:08:26: sich auf den Abend mit Freunden und sagt dann "Na, so drei bis vier". Ein gewisses Jammern als

00:08:33: Grundrauschen gehört in Italien einfach dazu. Andere Glücksstatistiken, die in den Zeitungen

00:08:39: abgedruckt sind, kümmern sich gar nicht erst um die Menschen selbst, sondern messen das Glück sehr

00:08:43: oft nach sozialer Absicherung, Mutterschutz, Familienhilfen, Gleichberechtigungsmaßnahmen,

00:08:49: Kündigungsschutz und ähnliche, zwar wichtigen, aber kaum greifbaren und auch kaum vergleichbaren

00:08:55: Konzepten. Weil ein starker funktionierender Staat, der sich um die Bürger kümmert,

00:09:00: für Glückssorge, was dazu führt, dass all die skandinavischen Länder oder Städte in diesen

00:09:05: Umfragen weit vorn liegen. Das ist aber ein gewaltiger Jagroteska-Truckschluss, wie schon der

00:09:11: Philosoph Luciano de Crescent so erklärte. Er sagt, es gäbe Gesellschaften, die auf Gerechtigkeit

00:09:17: beruhten und es gäbe Gesellschaften, die auf Freundschaft beruhten. Beispiel für Ersteres,

00:09:23: Großbritannien, wo eine Tellerwäscherin den König verklagen kann. Beispiel für Letzteres,

00:09:28: Italien, wo der Staat eben nicht stark ist und Beziehungen entscheiden. Aber hier ist der Twist.

00:09:35: Gesellschaften, die auf Freundschaften beruhen, sorgen für viel stärkeren sozialen Kitt, für

00:09:41: freundliche Menschen, für einen stärkeren Familienzusammenhalt. Sie machen dem Einzelnen sehr

00:09:47: oft das Leben angenehmer. Klar, dass es in Italien mit dem Mutterschutz nicht so gut bestellt ist,

00:09:53: wie in Finnland. Dort gibst du dein kleines Früh am Morgen in einen anonymen Ganztageskindergarten

00:09:59: und holst es am Abend wieder ab. Manchmal siehst du dein Kind wochenlang nicht bei Tageslicht.

00:10:04: In Italien gibst du dein kleines, der Oma. Klar, dass das skandinavische System auch viele

00:10:11: Vorteile hat. Klar, dass das italienische System auch viele Nachteile hat. Aber erzählt mir bitte

00:10:19: nicht, dass in Skandinavien glücklichere, zufriedenere Menschen leben. Noch etwas. Kaum ein Flächenstaat

00:10:26: hat im Verhältnis zur Größe mehr Küstenlinie als das schmale, langgezogene Italien. Und die Nähe

00:10:34: zu mehr tut gut. Wie ganz viele Untersuchungen zeigen, etwa die Metastudie Coastal Proximity aus

00:10:40: Großbritannien, die Lebensdaten von 300.000 Menschen ausgewertet und klar nachgewiesen hat,

00:10:47: wer am Meer lebt, hat es besser, lebt gesünder und länger. Und? Dabei ist schon der Wohlstandsfaktor

00:10:55: rausgerechnet. Menschen, die mit mehr Blick wohnen, sind im Durchschnitt wohlhabener und

00:11:00: wohlhabener werden älter. Schon geografisches Italien-Eilsuch mit Glück gesegnet. Aber wenn du

00:11:07: daran gewöhnt bist, empfindest du es nicht mehr als besonders. Nimmst es als selbstverständlich

00:11:11: hin. So wie meine Frau, den Blick vom Balkon ihrer fast abbezahlten Wohnung auf den feinensandigen

00:11:17: Strand. Apropos Blick auf Grado. Einmal müssen wir doch noch ganz kurz auf die Insel schauen. Und

00:11:25: ganz ohne Essen und Trinken geht es hier sowieso nicht. Also über das verpfuschte Boreto Rezept

00:11:31: hatte ich ja schon auf meinem Blog postausitalien.com berichtet. Aber die Sache hat noch ein Nachspiel.

00:11:37: Zur Erinnerung. Die Fischspezialität Boreto ist den Insulanern heilig, weil sie das einst

00:11:44: gelehm der Gradeser widerspiegelt und deswegen mehr ist als nur ein Lebensmittel. Denn die Fischer

00:11:51: brachten und bringen allerlei Beifang mit etwa zu kleine oder vom Netz zerrissene Fische.

00:11:57: Aus dieser unverkäuflichen Ware machten sie oft noch auf dem Boot oder später in ihren Hütten

00:12:04: in der Lagune Boreto. Der Inselpoet Biaju Marin widmete dem Boreto gar ein vierstufiges Gedicht.

00:12:11: Das erspare ich euch aber. Denn es ist auch noch im Gradeser Dialekt geschrieben. Und da war man

00:12:19: in Grado erst mal stolz darauf, dass der Gamberorosso, der wichtigste Gourmetführer des Landes,

00:12:24: in diesen Tagen auf seiner Website das Boreto Rezept samt einiger historischer Hintergründe

00:12:30: veröffentlicht hat. Aber es gab haasträubende Fehler, eigentlich unverzeihlich für eine

00:12:36: Fachzeitschrift. So schreibt der Gamberorosso. Es handele sich beim Boreto um eine der ältesten

00:12:43: bekannten Spezialitäten Italiens, soweit so gut. Und man verwendet dafür keine Tomaten. Denn das

00:12:50: Rezept ist schließlich älter als die Entdeckung Amerikas, sondern "nur Knoblauch, Zwiebeln,

00:12:56: Weißwein oder Weißwein-Essig und Olivenöl". Und das ist ganz großer Quatsch. Denn Zwiebeln

00:13:03: gehören auf gar keinen Fall ins Boreto. Auch nicht Weißwein, sondern nur Weißwein-Essig.

00:13:08: Selbst das Olivenöl ist umstritten. Der eigene Schmack ist zu stark. Viele nehmen lieber Pflanzenöl,

00:13:15: was auch für die Spaghetti Wongole gilt. Aber es wird noch besser. Der Autor benennt vier Restaurants,

00:13:22: in denen man das Boreto aller Greisana essen kann. Davon liegt nur eines in Grado, nämlich die

00:13:27: Tavernetta Allandrona. Und statt die vielen exzellenten weiteren Trattorien in Grado zu nennen,

00:13:33: werden Lokale in Lignano, in San Giovanni e Natisone und in Trieste empfohlen. Und auch das

00:13:39: für Grado genannte Restaurant, das von den beiden Brüdern Allan und Atyas Tarlao geführt wird,

00:13:44: ist man stinks sauer. Und das nicht nur, weil das Rezept hinten und vorn nicht stimmt. Wir

00:13:52: sind völlig erschüttert, sagt Allan, denn wir wurden zitiert, ohne gefragt worden zu sein. Dazu

00:13:57: noch in einem Atemzug mit Restaurants, die nun wirklich nichts mit den Traditionen von Grado

00:14:02: zu tun haben. Die Tageszeitung Epiculo titelt entsprechend "La Ricetta Boreto fa insorgere

00:14:08: Grado". Insorgere ist ein Verb, dessen Kraft schwer zu übersetzen ist.

00:14:14: aufbegehren ist zu ähnlich, protestieren beinahe zu schwach. Bringt Gardo auf die Barrikaden,

00:14:20: würde es im Deutschen heißen. Das Grado im Text dann noch als Friaul bezeichnet wird,

00:14:26: war der letzte Sarknagel. Denn politisch mag das stimmen. Aber ein Gradeser würde

00:14:32: lieber ein Rotwein-Glas von Riedl zerkauen, als Friolano genannt zu werden.

00:14:36: So weit, so wild. Italiener verstehen wirklich keinen Spaß bei ihren Rezepten. Nur wenige Tage

00:14:44: später kochte die Volkssäle erneut hoch. Denn die BBC veröffentlichte auf ihrer Website traditionelle

00:14:53: italienische Rezepte. Und oh Schande, beim Caccio e Pepe machten sie mehrere schwere Fehler.

00:15:00: Ich lese euch mal einen Zeitungsartikel vor, den ich einfach übersetzt habe,

00:15:05: um euch die Empörung spüren zu lassen. Los geht's. Ein italienischer Artikel natürlich.

00:15:11: Butter und Parmesan, das sind die beiden Zündschnüre, die zu erneuten Spannungen zwischen London und

00:15:18: Rom geführt haben. Nichts politisches, das sei klar gesagt, sondern Magenprobleme,

00:15:24: also die lästigsten Probleme überhaupt. Alles begann mit der berühmten BBC,

00:15:29: die sich auf ihrer Website zum Thema Küche an die Veröffentlichung einiger traditioneller Rezepte

00:15:34: wagte, darunter auch italienische Gerichte. Schade nur, dass unter den Zutaten für Caccio e Pepe

00:15:41: gerade Butter und Parmesan als unverzichtbar angegeben sind, anstelle von Pecorino. Auch wenn

00:15:47: Butter für die Menschen in England zum Alltag gehört, ist es doch wahr, dass es schon wegen viel

00:15:52: weniger zu Konflikten gekommen ist. Mit vier einfachen Zutaten, Spaghetti, Pfeffer, Parmesan und

00:15:59: Butter ist es ein Klassiker, der in keiner Küche fehlen darf, so lautete die triumphale Ankündigung

00:16:05: der BBC, die den römischen Gaststättenverband in Aufruhr versetzte. Der Verband schrieb

00:16:11: umgehend an den britischen Sender und die englische Botschaft in Rom, um seine Enttäuschung zum

00:16:16: Ausdruck zu bringen und eine sofortige Korrektur zu fordern. In der Rubrik Good Food, die der

00:16:22: Küche gewidmet ist, wurde das Rezept für Caccio e Pepe, ein ikonisches Gericht der römischen

00:16:27: und lazialischen Tradition, das seit Jahren zu den Aushängeschildern unserer italienischen

00:16:31: Küche gehört, prominent veröffentlicht, schreibt der Präsident Claudio Pica. "Aber wir sind fassungslos,

00:16:37: als wir das Rezept auf der Webseite der BBC lesen. Sie haben es als Originalrezept präsentiert,

00:16:44: korrigieren sie das sofort. Es tut uns leid, das historische und maßgebliche britische Medium

00:16:49: widerlegen zu müssen. Aber das Originalrezept für Caccio e Pepe enthält weder Parmesan noch

00:16:55: Butter. Es gibt nicht vier, sondern drei Zutaten, Nudeln, Pfeffer und Pecorino. Dann gibt es noch die

00:17:01: persönlichen Interpretationen der Küche. Aber wir konzentrieren uns stattdessen auf die Tatsache,

00:17:06: dass die BBC den Nutzern das Rezept als das ursprüngliche Rezept präsentiert und nicht als

00:17:12: eine der möglichen Varianten des Gerichts und sogar vorschlägt, es mit einem Video zuzubereiten,

00:17:17: dass die verschiedenen Schritte und die Zusammensetzung des fertigen Gerichts illustriert. Aus

00:17:22: diesem Grund und um ein ikonisches Gericht zu schützen, wurde die Korrektur beantragt.

00:17:27: Artikel Ende. Und seht ihr, die BBC zeigte sich einsichtig und korrigierte auf ihrer Webseite das

00:17:35: Rezept. Wir gehen ins Stadion. Die Saison geht auch für Gradese Calcio los und es gibt jede Menge

00:17:46: guter Nachrichten. Als erstes natürlich, da es überhaupt eine Mannschaft gibt. Letztes Jahr

00:17:52: waren ja zu wenige Spieler gemeldet, was beinah zum Ausschluss vom Spielbetrieb geführt hatte.

00:17:57: Das ziemlich baufällige Stadion soll renoviert werden. Betonung auf soll, aber immerhin. Der

00:18:04: komplette Neubau ist vorerst vom Tisch, aber wir wollen ja nicht zu viel verlangen. Und Präsident

00:18:09: Raul Julian Skacinke, übrigens ein Argentiner, träumt von einer großen Zukunft. Bald will er

00:18:15: einen Fußballverein haben, der nur aus gradeser Spielern besteht. Mein Tipp ist jedenfalls, geht

00:18:22: mal zu einem Spiel ins Stadion. Das ist der beste Tipp für alle, die wirklich mal nur unter

00:18:27: Einheimischen sein wollen. Der Eintritt kostet fünf Euro, der direkt dem Verein zugute kommt und ein

00:18:33: Stadionbrötchen ist natürlich Pflicht. Und nicht, dass ihr die Fälschen anfeuert. Grado spielt

00:18:39: in Rot und Weiß den Wappenfarben der Stadt. Bildungsauftrag das italienische Wort. Bandito

00:18:49: kann vieles bedeuten. Hier ist es das Verb "geband". "Geband" im Sinne von "auf der schwarzen

00:18:56: Liste" stehend. Denn schon länger weiß man, dass die Firma Ferrari sehr genau hinschaut,

00:19:02: wem sie ihre Autos verkauft. Denn Ferrari will eben kein Halbwelt-Image, was unter uns nicht immer

00:19:10: gelingt. Ferrari will, dass nur wohl erzogene Menschen die Autos fahren. Und weil die warte

00:19:16: Liste so lang ist, kann man sich das heraus sieben leisten. Und auch wer einen Ferrari hat und sich

00:19:22: anschließend daneben benimmt, wird auf die schwarze Liste gesetzt und bekommt keinen Ferrari mehr.

00:19:27: Auf die Liste gesetzt werden auch diejenigen, die jenen, die Bandito sind, einen Ferrari

00:19:33: verkaufen. Jedenfalls ist jetzt diese geheime Liste an die Öffentlichkeit geraten. Und so

00:19:39: mancher Prominenter ist Bandito. Zum Beispiel der Rapper 50 Cent, weil er in einem Video seinen

00:19:46: Ferrari 488 mit Champagner gewaschen hat. Boxweltmeister Floyd Mayweather bekommt auch

00:19:54: keinen Ferrari mehr, weil er eines seiner Modelle sofort nach dem Kauf mit viel Gewinn weiter

00:19:59: verkauft hatte. Auch das sieht man in Maranello sehr, sehr ungern. Kim Kardashian ist auf der

00:20:06: schwarzen Liste, weil sie ihren Ferrari 458 Italia mit wilden Umbauten versehen ließ,

00:20:13: die den Ingenieuren von Ferrari nicht schmeckten. Wahrscheinlich irgendwas mit viel Plüsch und

00:20:18: Diamanten. Justin Bieber hat seinen Ferrari von den verrückten Tunern von West Coast Customs

00:20:24: aufmurzen lassen. Daumen runter. Den berühmten englischen Autosjournalisten Chris Harris wird

00:20:31: auch kein Ferrari mehr gegeben. Auch nicht leihweise, denn Harris hatte gepetzt. Er legte nämlich offen,

00:20:38: wie Ferrari seine Testfahrzeuge ausgibt. Er erinnerte sich an eine Geschichte,

00:20:43: als Ferrari für einen Test des Modells 599 GTB im Voraus wissen wollte, welche Strecke für den

00:20:50: Test verwendet werden würde. So konnte das Auto von den Ingenieuren ab Werk für diese Strecke

00:20:56: optimiert werden, damit es die bestmögliche Leistung erbringen würde. Das ärgerte Harris.

00:21:01: Er schrieb, es ist traurig, aber die Freude, einen neuen Ferrari zu fahren, wird mittlerweile fast

00:21:07: immer durch den Ärger mit der Firma zur Nichte gemacht. Warum erzähle ich Ihnen das, weil ich

00:21:12: jetzt total sauer auf die ganze Sache bin? Es ist außer Kontrolle geraten, bis zu dem Punkt,

00:21:16: dass es bald sinnlos werden wird, irgendetwas zu glauben, was man über die Autos,

00:21:21: über die üblichen Kanäle liest, weil man nur Zugang bekommt, wenn man sich an die Regeln hält.

00:21:25: Zitat Ende. Auch bei Tests gegen andere Autos, etwa Lamborghini und Porsche, soll Ferrari im

00:21:33: Vorhinein massiven Einfluss genommen haben. Tja. Ob ich jetzt auch Bandito bin? Und jetzt gibt es

00:21:41: einen ganz dicken Sprung von teuren Autos zu einem preiswerten Gesellen, der ein paar Euro kostet.

00:21:46: Und weil die Saison so langsam zu Ende geht, sollten wir ihn würdigen, wie ich es auch schon in

00:21:52: dem Buch "Mein Leben am Strand" getan habe. Oder an den Plastikstuhl. Die Nebensaison ist eine gute

00:21:59: Zeit, um einen stillen Helden zu würdigen. Ja, der weiße Plastikstuhl ist gemeilt, dieses so gewöhnliche

00:22:05: und doch so praktische Sitzmöbel. Billig wie ein Wegwerfobjekt und doch unzerstörbar. Ihr habt

00:22:13: ihn alle sofort vor Augen, oder? Zwei bis drei Generationen vor uns haben im selben, ja,

00:22:18: im selben Stuhl ein Wasser Eis im Schatten genossen, mit der noch nassen Badehose an. Manchmal war das

00:22:25: Plastik in der Sommerhitze so heiß geworden, dass wir erschrocken wieder aufsprangen. Aber dann

00:22:29: ruckelten wir ihn uns zurecht, setzten uns auf und nieder, bis es ging. Und verschwendeten keine

00:22:36: weiteren Gedanken an ihn. Der weiße Plastikstuhl, wenn gleich aus Billigmaterial produziert, hat

00:22:43: Sandstürme, Hochwasser, Gewitter und adipöse Menschen überlebt. Er steht in den Strandbars der

00:22:49: Malediven und an den Ausfallstraßen von Bogota, vor den Eisständen rund ums Mittelmeer und auf

00:22:55: den Terrassen der Bistros und Osterien. In Grado stellen im Sommer die Boutiktenbesitzerinnen

00:23:01: ihren weißen Plastikstuhl vor die Tür, um darauf auf Kundschaft zu warten und mit den

00:23:05: Boutiktenbesitzerinnen links und rechts zu plauern. Woher kommt er? Wer hat ihn erfunden? Als erstes?

00:23:12: Er ist ein sogenannte Monoblock. Er wird also aus einem einzigen Stück Plastik geformt,

00:23:17: das etwa zweieinhalb Kilo schwer ist. Möglich aber nicht sicher ist, dass der kanalische Designer

00:23:24: DC Thompson den Stuhl im Jahr 1946 erfunden hat. Und schon die Tatsache, dass niemand es genau weiß,

00:23:31: ist in der Welt des Designs eine absolute Seltenheit. Wir kennen doch alle die Geschichten des Imschers,

00:23:38: der Philips Stark, Zitronenpresse oder des Grand Comfort LCDur, falls er so ausgesprochen wird,

00:23:45: von Le Corbusier. Als würden alle diese eidlen Künstler nicht genau darauf achten, die Welt

00:23:51: wissen zu lassen, dass die Idee von ihnen kam. Aber dieser weltweit genutzte,

00:23:56: stapelbare und preiswerte Plastikstuhl ist der komplette Gegensatz aller Designer-Möbel.

00:24:02: Inzwischen wird er, so scheint es, überall und nirgends hergestellt. Im China-Supermarkt in

00:24:08: Grado kostet er 6,90 Euro. Er ist kein Trend, er ist nicht kult und er wollte das nie sein.

00:24:15: Er ist zugleich original und imitat. Seine Form gehört irgendwie uns allen. Und wer von uns hat

00:24:22: sich nicht mal ordentlich blamiert, als er versucht hat, darauf zu kippeln, bis entweder der Stuhl

00:24:27: als Gesamtheit meistens oder eines der Beine seltener, dem Druck nachgegeben hat und uns eine

00:24:34: Bruchlandung bescherte. Wir sollten diesem Stuhl Respekt zollen. Manchmal müssen wir ihn

00:24:40: säubern vom darauf gewähnten Sand oder von der Pfütze, die vom Regenguss der letzten Nacht

00:24:45: geblieben ist. Aber er ist immer für uns da. Er schert sich nicht darum, was andere von ihm denken,

00:24:51: er ist aus einem verpönten Material, aber aufgrund seiner Langelebigkeit viel nachhaltiger als

00:24:57: die Konkurrenz. Er hat schon viel gesehen und aushalten müssen, aber er hält die Klappe. Er

00:25:04: ermöglicht Barbesitzern und Strandkioskbetreibern für wenig Geld draußen zu bestulen, denn nicht

00:25:09: jeder Beach Club befindet sich auf Mykonos oder Saint-Tropez und kann sich fancy Take-Holz

00:25:14: leisten. Er ist schnell ausgebreitet und schnell wieder verräumt. Der Plastikstuhl ist das exakte

00:25:21: Gegenteil einer Designikone und daher paradoxerweise genau das. Eine Ikone. Ein Sinnbild des Sommers und

00:25:29: der mediterranen Lebensart. Lasst uns also den Plastikstuhl würdigen, diesen allgegenwärtigen

00:25:36: stoischen Helden des Strandes. So, das war's für heute. Was gibt es Neues vom Schreibtisch?

00:25:43: Jeden Freitag bekommt ihr von mir die mediterrane Wochenschau auf postausitalien.com mit Neuigkeiten

00:25:50: aus Grale und der Adria. Kostenlos und werbefrei natürlich. Ihr könnt die mediterrane Wochenschau

00:25:57: ganz einfach oben auf der Startseite bei postausitalien.com abonnieren. Auf Instagram findet

00:26:03: ihr mich unter @buchundwein. Dort gibt es kleine Filme über mein Leben in Italien. Zum Beispiel

00:26:09: habe ich gerade Spaghetti Wongole für meinen Schwiegervater gekocht. Wie das ausgegangen ist,

00:26:13: schaut ihr euch am besten dort an. Und jetzt gibt es eine kleine Weltprämiere, denn ich erzähle

00:26:19: euch zum ersten Mal von meinem neuen Buch, das Ende September erscheint, das ihr aber jetzt schon

00:26:25: vorbestellen könnt. Es heißt, alle weg, mein Winter an der Adria. Und ich lese euch mal vor,

00:26:32: was der Verlag dazu schreibt. Wann beginnt eigentlich die Nebensaison? Wenn die Stausrichtung

00:26:37: Norden länger werden, der Strand kann in Eintritt mehr kostet oder die Restaurants Ruhetage einführen?

00:26:43: In Pinos legendärer Bar in Grado beginnt sie exakt dann, wenn der Fernseher endlich wieder läuft

00:26:50: und die Stammgäste den Sommer resümieren, über Politikstreiten, die Fußballergebnisse und lokale

00:26:57: Kriminalfälle diskutieren, Führer einander kochen, Pläne schmieden, lachen laut diskutieren und am

00:27:03: Ende immer auf das Leben anstoßen. Stefan Maywald nimmt uns mit in seine hell erleuchtete Bar in

00:27:10: Italien den Zufluchtsort vor Bora, beißender Kälte und dem Winterblues. Ja, schön hätte ich es fast

00:27:17: nicht schreiben können. Alle weg, erscheint am 25. September. Ich werde auch auf Lesereise gehen,

00:27:23: Termine gibt es auf meiner Webseite und bestellt fleißig vor. Würde mich sehr, sehr freuen, dann

00:27:30: habt ihr es gleich Ende September und könnt dann sozusagen den Urlaub noch ein bisschen verlängern.

00:27:35: Also ihr Lieben, wir hören uns in 14 Tagen wieder. Ich freue mich sehr schon jetzt auf diesen

00:27:41: Termin und jetzt gehe ich aber erstmal auf einen Kaffee zu Pino. Bis bald. Das war Radio Adria, der

00:27:54: Italien-Podcast. Wenn euch diese Folge gefallen hat, abonniert den Podcast und lasst uns eine

00:27:59: Bewertung da. Das hilft uns, noch mehr Menschen zu begeistern. Für mehr Italienital folgt mir

00:28:06: auf Instagram oder besucht meinen Blog, postausitalien.com. Grazie mille und bis zur nächsten Folge. Bleibt Deutsche Vita.

Kommentare (1)

Margit

Super war's! Freue mich schon auf die nächste Episode :-)!

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